Anna Kosch, eine Frau aus Heinrichsdorf/
Jindřichova Ves.
Als ich ein kleiner Junge war, lebte in unserem Haus noch eine nette alte Dame.
Mit ihrem langen weißen hochgesteckten Haar war sie immer eine ansehnliche, liebenswürdige Erscheinung, der die Klugheit auf der Stirn zu stehen schien.

Immer wenn wir Kinder Unterhaltung suchten, klopften wir an ihre Tür.
Ich kann mich nicht erinnern, dass wir auch nur ein einziges Mal nicht eingelassen worden wären.
Anna Kosch, so hatte sie geheißen, fand immer ein liebes Wort, eine alte spannende alte Geschichte und etwas zu essen für uns.

Meistens aßen wir uns bei ihr auch schon satt, so dass sich unsere Mutter oft ärgerte, wenn wir uns anschließend zufrieden, aber satt gegessen an ihren Tisch setzten.
Frau Kosch’s größter Wunsch war es gewesen, meinen Schulanfang noch zu erleben.
Das aber war ihr leider nicht mehr vergönnt, denn kurz davor starb sie und geriet auch bei mir allmählich in Vergessenheit.

Im Gedächtnis blieb mir der Satz meiner Eltern: Frau Koch ist ne „Behmsche“.
Diese Aussage jedoch blieb mir Jahrzehnte lang ein Rätsel. Eine Böhmische – also eine tschechische Frau? Dafür sprach sie zu gut deutsch. Und warum sollte denn eine alte tschechische Frau in der DDR, in Olbernhau leben? Schon als Kind war mir das einfach nicht plausibel.
Fragen konnte ich sie nie. Sie lebte ja nicht mehr. Kein anderer konnte oder wollte mir diese Frage beantworten.

Später erfuhr ich, Anna Kosch stammte aus Heinrichsdorf in Böhmen, heute Jindřichův Ves, nahe Kallich und Rübenau. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Justin Kosch betrieb sie einst ein Gasthaus mit Fleischerei.
Es ist mir nicht bekannt, in welchem Jahr Justin Kosch starb.

Die Witwe Anne Kosch wurde mit ihrer Tochter Anni im Jahre 1946 aus ihrem Böhmischen Heimatdorf vertrieben und musste nach Olbernhau übersiedeln.
Der Rest aus ihrem Leben blieb für mich im Dunkeln.

Seit einem Jahr jedoch bin ich im Besitz einigen über 100 Jahre alten Ansichtskarten von Heinrichsdorf.
Die zeigt Kosch’s Gasthaus in Heinrichsdorf.
 
Auch diese Ansichtskarten haben mir geholfen, ein wenig Licht ins Dunkel des Lebens von Anna Kosch zu bringen.