Manchmal, wenn der Wasserstand der Talsperre Fláje, dem nassen Grab des Erzgebirgsdorfes Fleyh recht niedrig ist, gibt der See Relikte frei, die vom fröhlichen, oft auch bescheidenen Leben des verschwundenen Ortes Kunde tun.
Es ist kaum zu glauben, dass auch heute noch Anekdoten existieren, die den einen oder anderen Augenblick, der versunkenen Wirklichkeit für immer konserviert haben J. Straßberger, der letzte Bürgermeister hatte einige aufgeschrieben
Der Fleyhbrunnen
Etwas abseits der Landstraße in Fleyh-Georgendorf führte in südlicher Richtung längs des Tiergartenzaunes ein alter Hohlweg zu der 6 km weit entfernten Einschicht “Georgshöhe“.
Kurz vor dem Eustachiustor, wo sich nach diesem der Hohlweg mit dem alten Reitsteig vereinte, lag rechts, von Fichten überschattet ein Brunnen.
Über moosbewachsene Steine und flechtenüberkrustete Baumwurzeln gluckste das Wasser aus der Tiefe, und niemand wusste zu sagen, wie viele Jahrhunderte vergangen sind, seitdem dieser romantisch gelegene Brunnen seine Tätigkeit aufgenommen hat.
Zwei über den Hohlweg eingebaute Rundhölzer sorgten für den Überlauf des Wassers, das auf der Gegenüberseite im wilden Farnkraut und im Schatten mächtiger Fichten den Weg zum Fleyhbachtal suchte. An einer, über den Brunnen sich beugenden Fichte war ein überdachtes Marienbild angebracht, das sich im Wasser mit dem Kinde spiegelte.
Das Wasser war dem Volksglauben nach für Menschen und Tiere nicht genießbar und wurde auch vom Wilde aller Gattungen, auch wenn es noch so heiß war, gemieden.
Wir haben es hier mit dem Fleyhbrunnen zu tun, um den sich verschiedene Sagen gesponnen haben und auch die nachstehend kleine Geschichte an den langen Winterabenden – besonders beim Federnschleißen – immer erzählt wurde.
Es war an einem Sonntagmorgen, als der Bauer aus dem Hause Nr. 10 in Fleyh (Waberanton) seine beiden Kühe vor den Wagen spannte, um das vor wenigen Tagen in Richtung Georgshöhe zusammengetragene Brennholz heimzuholen. Um zu seinem Ziel zu kommen, musste er mit seine Fuhrwerk den alten Hohlweg benützen. Auf der Hinfahrt beim Überqueren des Fleyhbrunnens ahnte er nicht, dass ihm am Heimweg hier etwas besonderes widerfahren sollte.
Gar bald hatte er nach Erreichung seines Zieles seinen Wagen mit Holz beladen und frisch und munte zogen die beiden Kühe den schwer beladenen Wagen an. Als der Bauer mit seinem Fuhrwerk das Eustachiustor passiert hatte und sich dem Fleyhbrunnen näherte, läuteten vom nahen Kirchdorf her die Glocken zum Hochamt ein. Ruckartig hielten unmittelbar vor dem Brunnen die beiden Kühe den Wagen an und keinen Schritt ging es mehr weiter. Der Bauer sprang vom Wagen um nachzuschauen, was da los ist. Ein Rundgang um den Wagen bestätigte ihm, dass alles in Ordnung war. Er versucht die Kühe wieder anzutreiben, aber es schien so, als ob alles eingefroren wäre.
Die beiden Kühe schnaubten, stemmten sich gegen den Wagen und sahen ihren Herrn vorwurfsvoll an. Auch die nachfolgenden Peitschenhiebe änderten an der Situation nichts.
Da plötzlich hörte der Bauer vom Brunnen her ein höhnisches Lachen, sah etwas hin und her huschen und deutlich vernahm er die Stimme eines Mannes der ihn fragte „Ob er denn nicht weiß, dass heute Sonntag ist“?
Was geht mich Dein Sonntag an, antwortete der Bauer und schlug mit der Peitsche nach dem Brunnen zu, von woher er die Stimme vernommen hatte.
Wieder hörte er dieses höhnische kickern und ganz klar und deutlich vernahm er vom Brunnen her die Worte:
„Fahre weiter; heute in neun Tagen bist Du unter den Toten“.
Unaufgefordert zogen die beiden Kühe den Wagen wieder an und der robuste Bauer ging gebrochen und murmelnd im Schatten des Todes hinterher. Als er zu Hause ankam, war er nicht mehr im Stande, seine beiden Kühe abzuspannen und den Wagen zu entladen. Unter dem Eindruck dieses Erlebnisses wurde er noch am selben Tage bettlägerig krank, und es waren noch keine neun Tage vergangen, der robuste Bauer war tot und lag bereits am Friedhof.
Noch vor ca. 20 Jahren erinnerte ein kleiner verwitterter Grabstein am Friedhof in Flevh an diesen Bauer, der einem Erlebnis am Fleyhbrunnen zum Opfer gefallen war und oft konnte man beobachten, wenn Dorfbewohner an dem Grabstein vorbeikamen und sich mit dem Kreuzeszeichen bezeichneten.
Von diesem romantisch mitten im Walde gelegenen Brunnen erzählte man besonders an langen Winterabenden und, in der Dorfschänke mehrere derartige Geschichten. Merkwürdig ist nur, dass diese Erzählungen immer wieder in einer neuen Form aufgetaucht und niemals in Vergessenheit geraten sind. Ob an allen diesen Erzählungen etwas Wahres daran war, kann nur die Vergangenheit beurteilen.
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