Das "Gasthaus ohne Namen"

Das Gasthaus ohne Namen
Es scheint sie immer noch zu geben, diese sprichwörtlichen böhmischen Dörfer, diese abgelegenen Kleinode, in die sich trotz wunderschöner landschaftlicher Lage wohl eher nur zufällig ein Auto- Motorrad-oder Fahrradtourist verirrt.
Eins davon ist Kotvina (deutsch Ketwa), ein unscheinbares Dorf, rechtsseitig der Eger, am nördlichen Fuße des Duppauer Gebirges/Doupovské hory. Die spürbare Abgeschiedenheit dieses kleinen Ortes ist vermutlich auch der Tatsache geschuldet, dass er unmittelbar an das ehemalig größte tschechische Militärsperrgebiet, den 1950 gegründete Truppenübungsplatz Hradiště (VVP Hradiště, auch Vojenský újezd Hradiště) angrenzt.
Und gerade an solchen Orten kann man es noch finden, dieses Hostinec, diese Pivnice, in der die Zeit scheinbar stehen geblieben zu sein scheint, die sich den Charme vergangener Tage, der ehemaligen Tschechoslowakei (ČSSR) bis in die heutige Zeit herübergerettet hat. Die Brandauer Heimatfreunde haben sie entdeckt und versuchen, Sie für euch in Wort und Bild festzuhalten.
Diese Kneipe ohne Namen in Kotvina, die man nur am Bierwerbeschild der Außenwände erkennen kann.
Schon vorbeigerast, eine Vollbremsung gemacht, ging es im Rückwärtsgang zurück in das unbekannte, fast schon mystische, aber unwiderstehlich interessant anmutende Gasthaus.
Ja, es verlangt dem deutschen Touristen schon ein wenig Überwindung und Mut ab, die Schwelle zur ehrwürdigen Gaststube zu übertreten. Man tritt ein, mit dem etwas seltsamen Gefühl, der erste deutsche Gast überhaupt zu sein. Sitzt man einmal am alten Tisch mit dieser schon tausend mal gewaschenen Decke, die viele Geschichten erzählen kann, verspürt man den Charm einer kleinen, scheinbar abgeschlossenen tschechischen Welt, in der die Zeit seit den letzten 50 Jahren wohl stehen geblieben scheint. Die Speisekarte sucht man vergeblich. Man isst, was auf den Tisch kommt. Unter den meist einheimischen Gästen, wird sich das aktuelle Tagesgericht längst herumgesprochen haben. Falls nicht: der direkte Blick von der Gaststube durch die weit geöffnete Küchentür lässt den phantasiebegabten Gast, deftig-fleischiges erahnen.
Wir trafen hier die Menschen, die wahrscheinlich vor 45 Jahren schon, damals noch bekannt als Dorfjugend, ihr erstes Bierchen gezischt haben. Mittlerweile sieht man sie ihnen an, die Jahre, die an den Stammgästen nicht ohne Spuren vorübergingen.
Auch heute, am Samstag Nachmittag strömen die nach und nach ins Erste Haus am Platz, ins Hostinec, die Männer mit ihre mittlerweile grauen Haaren, in der, von der Traktorreparatur ölig verschmierten Arbeitshose und -Jacke. Man trifft sich, man erzählt, genießt sein Bier, aber man bleibt unter sich.
Dennoch haben wir uns, wenn auch als etwas exotische Gäste willkommen und wohl gefühlt, im Gasthaus ohne Namen, dem Lokal der Kolchose der Dorfkantine mit Babička Jarmilas kuchyně (Oma Jara´s Küche) der Dorfdisko und Singlebörse
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Im Jahr 1846 lebten 215 Menschen in Ketwa. Das Dorf hatte eine Kneipe, eine Mühle, eine Fähre und eine Schule, die auch Kinder aus Oslovice (Woslowitz) besuchten. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde Kotvina zu einem beliebten Ferienort, der Touristen mit seiner romantischen Landschaft mit Burgruinen, Schwimmen in der Eger und sauberer Luft anzog. Touristen konnten in einem Privathaus oder in zwei Gasthöfen übernachten.
Bei der Volkszählung von 1921 gab es 295 Einwohner (davon 138 Männer), die bis auf einen Ausländer die deutsche Staatsangehörigkeit hatten und bis auf einen evangelischen der römisch-katholischen Kirche angehörten. Laut der Volkszählung von 1930 hatte das Dorf 275 Einwohner: vier Tschechoslowaken, 268 Deutsche und drei Ausländer. Bis auf einen Evangelikalen bekennen sich alle zur römisch-katholischen Kirche
Der Großteil der deutschen Bevölkerung wurde 1945/1946 vertrieben. Obwohl neue Bewohner einzogen, um sie zu ersetzen, zogen einige von ihnen bald an andere Orte. 1956 wurde eine einheitliche landwirtschaftliche Genossenschaft gegründet, die sechs Jahre später mit der Genossenschaft in Okounov fusionierte. Ende der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts dienten einige Häuser als Ferienhäuschen, dazu kamen noch über zwanzig neue Ferienhäuschen. Zur gleichen Zeit waren in Kotvina ein Restaurant und ein Geschäft in Betrieb, und es wurde Land für den Bau weiterer neuer Familienhäuser vorbereitet